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Hereditäre Spastische Spinalparalysen

Allgemeine Informationen

Bei der vererbten Querschnittslähmung mit erhöhter Muskelspannung (hereditäre/familiäre spastischen Spinalparalyse, Strümpell-Lorrain’sche Erkrankung; hereditary spastic paraplegia; HSP) stehen klinisch eine sich langsam verschlechternde Steifheit der Beinmuskulatur (Muskeltonuserhöhung) sowie Kraftminderung beider Beine (Lähmung) im Vordergrund. Die ersten Anzeichen der Erkrankung werden meist schon in der Schulzeit oder während der Ausbildung bemerkt. Häufig ist auch, dass mehrere Mitglieder einer Familie erkranken. Es handelt sich dabei um eine seltene Erkrankung, die oft jahrelang nicht diagnostiziert wird. Man geht davon aus, dass in Deutschland ca. 4000 Menschen an einer HSP leiden. Derzeit unterscheidet man mehr als 40 Unterformen.

Formen der Erkrankung

Bei den hereditären spastischen Spinalparalysen unterscheidet man reine und komplizierte Formen der Erkrankung. Die reine Form ist typischerweise gekennzeichnet durch den Untergang von Leitungsbahnen im Rückenmark, der zu einer spastischen Lähmung beider Beine führt. Zusätzlich treten häufig auch Blasenstörungen auf. Die reinen Formen machen mehr als ¾ aller HSP-Fälle aus. Die häufigste reine HSP-Form ist durch eine Mutation im Spastin-Gen verursacht (SPG4). Bei den komplizierten Formen sind zusätzlich andere Regionen und Leitungsbahnen des Nervensystems betroffen. Es können zusätzliche Symptome wie Krampfanfälle, Taubheit, kognitive Einschränkungen, Gleichgewichtsstörungen, Sehstörungen oder Sensibilitätsstörungen und Lähmungen auch an den Armen auftreten. Die häufigste komplizierte Form der HSP ist die SPG11 Unterform (Spatacsin-Gen).

Klinik

Bei den meisten Patienten finden sich Steifigkeit (Spastik) und Lähmung beider Beine, gelegentlich ist jedoch im Anfangsstadium ein Bein stärker betroffen als das andere. Die Motorik der Arme ist, außer manchmal bei den komplizierten Formen, nicht auffällig. Vom Patienten wird eine Gangunsicherheit oder ein Schwächegefühl der Beine beim Gehen wahrgenommen. Das Gehen ist erschwert, es zeigt sich ein „gestelzter Gang“ bzw. „Scherengang“, und häufig wird im weiteren Verlauf die Verwendung von Hilfsmitteln notwendig. Die Erkrankung kann zusätzlich mit einer Blasenentleerungsstörung einhergehen. Die HSP kommt sowohl bei Frauen als auch bei Männern vor und kann in jedem Alter beginnen. Man findet einen Erkrankungsgipfel zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr und einen zweiten vor dem 60. Lebensjahr.

Diagnostik

Außer einer positiven molekulargenetischen Untersuchung gibt es keine Möglichkeit, die Erkrankung durch eine technische Untersuchung exakt einzuordnen. Die Diagnosestellung erfolgt vorrangig klinisch aus der Anamnese, der ausführlichen klinisch- neurologischen Untersuchung und Zusatzbefunden (MRT, Nervenwasseruntersuchung, neurophysiologische Untersuchungen), um andere mögliche Ursachen für eine fortschreitende Querschnittslähmung auszuschließen.

Genetik

Die Erkrankung ist erblich und kann einem autosomal-dominanten, autosomal-rezessiven oder X-chromosomal-rezessiven Erbgang folgen; somit können in einer Familie mehrere Personen oder auch nur eine Einzelperson betroffen sein. Die Kenntnis über weitere Betroffene in der Familie kann wichtige Informationen zur Einordnung der Erkrankung liefern. Der technische und bioinformatische Fortschritt hat das Verständnis der Genetik bei der HSP in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Heute sind über 40 Gene und 35 weitere Genorte bekannt, die mit der HSP in Zusammenhang stehen. Ob und in welchem Umfang eine genetische Testung sinnvoll ist, muss im Einzelfall geklärt werden und erfolgt gemeinsam mit einem Zentrum für Humangenetik.

Sowohl HSP-Betroffenen als auch deren Angehörigen bieten wir eine qualifizierte genetische Beratung und die Möglichkeit zur Testung auf Anlageträgerschaft an.

Therapie

Eine ursächliche Behandlung der HSP ist bisher nicht bekannt; im Vordergrund stehen funktionserhaltende Therapien, die zum Ziel haben, die Mobilität und Lebensqualität zu verbessern und über eine lange Zeit zu erhalten. In unserer Ambulanz wird großer Wert darauf gelegt, für jeden Patienten hierbei die individuell geeignete symptomatische Therapie zu finden. Unsere Schwerpunkte sind hierbei:

  • Detaillierte Beratung zu physikalischen Therapien (Sport-Rehabilitation, Physiotherpie, Ergotherapie, Logopädie, etc.)
  • Beratung zur individuellen Hilfsmittel-Versorgung (Gehhilfen, Rollstuhl-Lösungen, funktionelle Elektrostimulationssysteme)
  • Beratung zu und Einleitung medikamentöser oraler Therapien (Baclofen, Tizanidin, Pridinol, off-label-Therapien mit Fampridin, Cannabinoiden)
  • Beratung, Einleitung und Durchführung lokaler antispastischer Therapie mit Botulinumtoxin (off-label)
  • Beratung zu und Einleitung einer Therapie mit einer Medikamentenpumpe zur intrathekalen Baclofen-Applikation ("Baclofen-Pumpe")
  • Objektive Erfassung von Krankheitsverlauf und Therapieeffekten mittels vollautomatisierter Bewegungsanalyse
  • Ernährungsberatung mit metabolischer und endokrinologischer Beratung
  • Symptomatische Therapie von Blasenstörungen

Eingebettet in das Zentrum für Seltene Bewegungserkrankungen bieten wir den Betroffenen die Möglichkeit zur sozialmedizinischen Beratung an, z.B. hinsichtlich Schwerbehindertenausweis, Pflegegrad, Berentung.

Wichtige Links und Kontaktadressen:

Direkte Anfragen:

Dr. med. Martin Regensburger (bewegungsstoerungen(at)uk-erlangen.de)


TreatHSP Konsortium

https://www.treathsp.net/hsp-spezialambulanzen/erlangen

"Förderverein für HSP-Forschung"

https://hsp-hilfe.de/

 

"Interessengemeinschaft Ge(h)n mit HSP“

https://www.gehn-mit-hsp.de/

 

HSP-Stiftung (Tom Wahlig-Stiftung)
http://www.hsp-info.de

Deutsche HSP-Selbsthilfegruppe
http://www.hsp-selbsthilfegruppe.de

Zentrum für Humangenetik, Universitätsklinikum Regensburg
http://www.humangenetik-regensburg.de