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Selten allein

Weltweiter Tag der Seltenen Erkrankungen rückt am 28. Februar Betroffene sowie Expertinnen und Experten in den Fokus

Es begann mit Konzentrationsproblemen auf der Arbeit. Als ihr Partner bei der 43-jährigen Sabine W. dann immer häufiger kurze unkontrollierte Bewegungen bemerkte, wuchs die Gewissheit: „Ich habe die gleiche Erkrankung wie meine Mutter – die Huntington-Erkrankung.“ An dieser seltenen, vererbten Bewegungsstörung leiden in Deutschland nur 3 von 100.000 Menschen. „Das macht es für diese Patientinnen und Patienten auf allen Ebenen schwer“, weiß PD Dr. Franz Marxreiter, Leiter der Huntington-Ambulanz in der Molekular-Neurologischen Abteilung (Leiter: Prof. Dr. Jürgen Winkler) des Universitätsklinikums Erlangen. „In unserem Gesundheitssystem existieren kaum Anlaufstellen, die die komplexen Anforderungen bei der Behandlung und der Versorgung von seltenen Erkrankungen überhaupt abbilden können. Meist gibt es auch keine spezifischen Medikamente. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung entsteht ein individueller Nachteil.“ Insgesamt sind mehr als 6.000 unterschiedliche seltene Erkrankungen bekannt. Die Gesamtzahl der Patientinnen und Patienten mit einer seltenen Erkrankung ist also hoch: So leben allein in Deutschland schätzungsweise 4 Mio. Betroffene. Am weltweiten Tag der Seltenen Erkrankungen, der jedes Jahr am 28. Februar stattfindet, machen die Patientinnen und Patienten gemeinsam mit ihren Ärztinnen und Ärzten auf sich aufmerksam.

In der Europäischen Union gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Seltene Erkrankungen bilden eine Gruppe von sehr unterschiedlichen und zumeist komplexen Krankheitsbildern. Die meisten dieser Erkrankungen verlaufen chronisch und gehen nicht nur mit gesundheitlichen Einschränkungen, sondern vielfach auch mit einer eingeschränkten Lebenserwartung einher. Oft bilden Betroffene bereits im Kindesalter Symptome aus. Etwa 80 Prozent der seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt oder mitbedingt, selten sind sie heilbar.

„Das gilt auch für die Huntington-Erkrankung“, sagt Dr. Marxreiter. „Obwohl die zugrunde liegende genetische Veränderung von Geburt an da ist, treten die ersten Symptome durchschnittlich erst im Alter von 40 Jahren auf.“ Typische Kennzeichen sind Überbewegungen, Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit und psychiatrische Beschwerden. Leider führt die Krankheit im Schnitt innerhalb von 20 Jahren nach der Diagnosestellung zum Tod. „Da die Erkrankung vererbt wird, beeinflusst die Diagnose bei einer Person immer auch deren gesamte Familie“, erläutert der Erlanger Experte. Zusätzlich zur rein medizinischen Behandlung träten weitere Fragen auf: Kann der Beruf weiterhin ausgeübt werden? Wie sollen die Angehörigen – insbesondere Kinder – informiert und einbezogen werden? Wo und wie erfolgt in Zukunft die Versorgung? Ein wichtiger Kontakt ist in solchen Fällen die Selbsthilfeorganisation Deutsche Huntington-Hilfe e. V. Am Uni-Klinikum Erlangen werden Patientinnen und Patienten mit der Huntington-Erkrankung unter dem Dach des Zentrums für Seltene Erkrankungen Erlangen (Sprecherin: Prof. Dr. Beate Winner) von einem erfahrenen interdisziplinären Team behandelt. „Unsere Sprechstunde für Bewegungserkrankungen dient als Anlaufstelle für Betroffene und ihre Familien“, berichtet Dr. Marxreiter. „Neben der ambulanten Versorgung bieten wir unseren Patientinnen und Patienten auch die Möglichkeit zur Teilnahme an innovativen klinischen Studien. In den vergangenen 20 Jahren hat sich in der Erforschung der Erkrankung durch die enorme Entwicklung der biomedizinischen Forschung und dank der Arbeit spezialisierter Zentren sehr viel bewegt. Es gibt aktuell mehrere neue Therapieansätze, die nun in Studien – auch bei uns in Erlangen – getestet werden.“

Kunstaktion der deutschen Uni-Klinika

Die Zentren für Seltene Erkrankungen der deutschen Uni-Klinika haben – mit Unterstützung des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands, der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen und den Einkaufsbahnhöfen – im Herbst 2021 die Kunstaktion „Selten allein“ ins Leben gerufen. Unter dem Motto „Du bist etwas ganz Besonderes. Mach mit Deiner Kunst anderen Mut.“ wurden Patientinnen und Patienten mit einer seltenen Erkrankung dazu ermuntert, Selbstporträts zu malen und einzureichen. Aus der Vielzahl der eingesandten Kunstwerke wählte eine Jury 20 Bilder aus, die nun gemeinsam als Ausstellung „Selten allein“ in ganz Deutschland zu sehen sind. Zu jedem Kunstwerk gibt es einen Steckbrief, auf dem die Künstlerin bzw. der Künstler und die jeweilige seltene Erkrankung vorgestellt werden. Besucherinnen und Besucher der Langen Nacht der Wissenschaften am Samstag, 21. Mai 2022, können sich die Ausstellung im Uni-Klinikum Erlangen ansehen. Online sind die Ausstellung sowie weiterführende Informationen und Vernetzungsmöglichkeiten für Betroffene auf der Website www.seltenallein.de zu finden.

Erlanger Kamin in der „Global Chain of Lights“

Anlässlich des weltweiten Tags der Seltenen Erkrankungen – Rare Disease Day – werden unter dem Motto #lightupforrare auf dem ganzen Globus Gebäude bunt beleuchtet und bilden so eine „Global Chain of Lights“. Auch der Kamin der Erlanger Stadtwerke leuchtet auf Anregung der Deutschen Huntington-Hilfe am Montag, 28. Februar 2022, lila und ist so Teil der weltumspannenden Lichterkette.

Weitere Informationen:

PD Dr. Franz Marxreiter

09131 85-34672

franz.marxreiter(at)uk-erlangen.de